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Meine Geschichte
 

Meine Krankheit wurde 1997 endgültig diagnostiziert. Schon als Kind im Alter von 5 Jahren hatte ich Blut im Urin und war deshalb im Krankenhaus. Die Ärzte konnten damals nichts feststellen und entließen mich ohne genauen Befund. In großen Abständen ging ich zu Ärzten um mich immer mal wieder daraufhin untersuchen zu lassen. Mein Hausarzt schickte mich als Erwachsener, etwa ab 1984, unregelmäßig zur Nierenfunktionskontrolle. Selbst der Bundeswehr, die damals ja noch jeden nahmen, war die Sache zu unsicher und ich wurde ausgemustert. Die Überwachungen ergaben, dass die Nieren einwandfrei funktionieren. Mit einer Biopsie hätte man genaueres feststellen können, da der Kreatinin erst ab 50% Funktionsausfall steigt. Ich fühlte mich kerngesund und nahm die Sache nicht sehr ernst, doch ernst genug, um weiterhin diese unregelmäßigen Kontrollen zu machen. Einzige Auffälligkeiten waren, dass ich erhöhten Blutdruck hatte und meine Leistungsfähigkeit als aktiver Sportler (bis zu 5mal die Woche Fußball) nicht die Gleiche war, wie die meiner Mitspieler. Auch hatte ich häufiger Kopfschmerzen als Gleichaltrige. Übelkeit nach totaler körperlicher Verausgabung kam auch vor. Dies verstärkte sich mit den Jahren. Den Sport musste ich wegen Knieproblemen ab 1992 stark reduzieren. Statt 5 mal die Woche ging ich nur noch 2 mal. Bei irgendwelchen Festlichkeiten, wo es hoch her ging, konnte ich schon mit Mitte 20 nicht mehr allzu gut mithalten. Natürlich war es ein Fehler, bei allem dabei sein zu wollen. Geraucht habe ich zusätzlich auch noch, doch das wurde mit der Zeit immer weniger, da ich das auch nicht mehr vertrug. Als Erklärung schob ich vor, dass ich täglich fast 100 km zur Arbeit habe und im Beruf und Privatleben zeitweise Stress hatte. Fazit: Migräne war für mich eine plausible Erklärung.

1997 ging ich wieder einmal zum Hausarzt und ließ mich untersuchen. Der Kreatinin war 1,4 und das Cholesterin war auch erhöht. Um sicher zu gehen wurde kurz darauf erneut gemessen. Kreatinin 1,98. Überweisung zur Nierenfunktionskontrolle und anschließend zum Nephrologen. Immer noch schätzte ich die Angelegenheit falsch ein. Nach einer eingehenden Untersuchung beim Nephrologen wurde ein Kreatininwert von 2,2 gemessen. Das alles innerhalb weniger Wochen. Dann der Tag der Wahrheit. Die Sprechstunde beim Nephrologen:

Sie leiden unter einer chronischen Niereninsuffizienz im 1. Stadium. Der Arzt sagte mir klipp und klar, dass diese Krankheit an der Dialyse endet. Ich hatte das seltene Glück, 25 Jahre mit dieser nie richtig diagnostizierten Krankheit gelebt zu haben. Er machte mir deshalb wage Hoffnungen, es könne mit der richtigen Medikamenten- einstellung, speziell Blutdruck und viel Glück, noch 5-10 Jahre dauern. Eine frühere Diagnose hätte nichts verändert. Man hätte nichts anderes machen können und es sei eigentlich optimal für mich gelaufen. Die Ursache und Entstehung einer solchen Krankheit kann viele Gründe haben. Ein übergangener Infekt in der Kindheit kann schon der Auslöser gewesen sein.

Als ich nach Hause kam, war für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich stand unter Schock, da mir sofort bewusst war, was auf mich zukam. Da außer meiner Frau, meine Familie die nächsten Ansprechpartner waren, wurde natürlich mit meinen Eltern und Geschwistern darüber gesprochen. Mein "Arzt Bruder" machte sich natürlich gleich daran, Informationen einzuholen und beruhigte mich, dass ich wirklich ganz am Anfang stand und sich die Sache mit Glück noch Jahre hinausziehen kann. Die eigentliche Beruhigung war, dass mir beide Brüder sofort zusagten, mir im Falle eines Falles, eine Niere zu spenden, insofern die Voraussetzungen dafür passten. Beide hatten die Blutgruppe Rhesusfaktor "0" und waren als Universalspender grundsätzlich geeignet. Von Anfang an war klar, dass dieses Angebot Ernst gemeint war. Meine Brüder hätten sich umgekehrt auch auf mich verlassen können. Ich habe aber Blutgruppe A, wie sich später herausstellte und hätte nie als Spender für sie zur Verfügung gestanden.

Ich wurde ab diesem Zeitpunkt in achtwöchigen Abständen untersucht und es sah am Anfang wirklich danach aus, dass sich die Krankheit nur ganz langsam entwickelte. Bis Mitte 1999 war eigentlich ein Stillstand. Der Kreatininwert blieb konstant unter 3,0. Mein Blutdruck wurde mit TEVETEN600 (eine Tablette) und 25mg Duratenol sehr gut eingestellt und mein Cholesterin war optimal (SORTIS10 1xtäglich). Diese Medikamente nahm ich bis zum Schluss. Ich lebte in dieser Zeit genauso gesund, Beziehungsweise ungesund weiter. Zu Hause achtete ich auf fettarme Kost, aß keine Eier oder stark eiweißhaltige Nahrungsmittel, wenig Salz und keinen Alkohol. Diät habe ich aber nicht gelebt. Im Lokal oder bei Einladungen aß und trank ich normal (bis auf Eier). Beim Alkohol, den ich immer weniger vertrug, hielt ich mich zurück. Bis auf einige Ausnahmen ,die ich dann aber immer ganz bitter bereute. Leider kamen diese Übelkeitstage immer häufiger vor, auch ohne dass ich irgendwie gesündigt hätte. In der Regel musste ich mich dann bis zu 20mal innerhalb von 10 Stunden übergeben und konnte mich dann kaum noch auf den Beinen halten. Zwischen den Toilettengängen schlief ich. Oft spürte ich schon am Vorabend die ersten Vorzeichen wie Kopfweh, extreme Müdigkeit und frieren. Dadurch konnte ich meine Frau und mich darauf vorbereiten, was für ein Tag folgen  würde. Bei dieser ganzen Übergeberei kam nie Mageninhalt, sondern nur schleimige bitter schmeckende Dinge, die ich nicht definieren konnte. Wenn ich dann merkte, dass es wohl vorbei war, meistens gegen 17 Uhr, es war fast wie ein Ritual, fing ich an, tröpfchenweise COLA und krümelweise Salzstangen zu essen und zu trinken. Am Ende hatte ich etwa 2 Liter Cola und ein ganzes Paket Salzstangen intus. Diese Dinge waren die letzten Jahre immer vorrätig in unserem Haus. Danach war ich wieder fit, aß ganz normal zu Abend und ging am nächsten Tag arbeiten. Am Anfang nahm ich mir noch Urlaub oder Freizeit für meine „Breakdays“ um nicht in irgendwelchen Personalakten auffällig zu werden und mich erklären zu müssen. Zum Schluss nahm die Sache doch überhand (alle 2-3 Wochen ) und ich meldete mich krank. Meine direkten Vorgesetzten und Kollegen waren von Anfang an darüber informiert. Bis auf meinen engsten Freundeskreis habe ich niemanden eingeweiht. Im nachhinein war das für mich die richtige Entscheidung. Ich wollte nicht als Kranker da stehen (so schlecht ging es mir ja nicht ?!) und mich dauernd erklären müssen (z.B.: „Und dann trinkst Du ein Bier?“). Bei den Leuten, bei denen ich wusste, dass Sie sich für mich interessieren, habe ich alles gesagt und ich wusste, dass Sie mich nicht dauernd darauf ansprechen würden. Wie richtig meine Entscheidung war, stellte sich heraus, als ich bei einem feuchtfröhlichen Abend, noch im Anfangsstadium, einem Bekannten gebeten habe, mich mit weiterem Alkohol zu verschonen. Als er nicht locker ließ, wir waren beide noch nüchtern, klärte ich ihn in der Erwartung auf etwas Verständnis auf und wurde in seiner Reaktion daraufhin enttäuscht. Er machte sich darüber lustig und ich soll mich nicht so anstellen. Wenigstens konnte ich Ihn, wie alle anderen aufgeklärten Freunde, Kollegen und Verwandten zum Stillschweigen verpflichten. Das hat nichts mit Geheimniskrämerei, sondern mit Selbstschutz zu tun. Probleme gab es natürlich, wenn ich Samstags ein Fußballspiel wegen Übelkeit absagen musste. Weil ich in den letzten 2 Jahren nur noch müde war und unendlich viel Schlaf brauchte, sah ich natürlich immer verpennt aus. Wegen der sich entwickelnde Blutarmut sah ich sehr blass aus. Mir wurde natürlich viel angedichtet. Viel Alkohol, die Nächte durchfeiern etc.. Ich sah wirklich oft so aus, ließ die Leute aber in Ihrem Glauben. Damit kann man sich wirklich den Ruf ruinieren. Das war mir egal. Die für mich wichtigen Menschen waren eingeweiht.

Anfang des Jahres 2000 stieg der Kreatininwert erstmals über 3. Das war noch nicht so beunruhigend für mich, da die Steigerung gegenüber der Voruntersuchung nicht dramatisch war. Im Sommer 2000 kam dann aber der große Schlag. Routinemäßig ging ich zu den Untersuchungen und fragte drei Tage später nach den Ergebnissen. Schon daran gewöhnt kam dann immer die Antwort: Wert ist konstant oder nur minimal gestiegen bzw gefallen. An diesem Tag im Juli war aber alles ganz anders. Ich rief nach einer vorangegangenen Untersuchung beim Arzt an um mich nach den Werten zu erkundigen. Die Sprechstundengehilfin suchte die Werte aus der Akte und sagte ganz nüchtern: Oh, ihr Kreatinin ist auf 4,9 angestiegen!! Kommen Sie doch bitte am besten morgen Mittag zur Sprechstunde.

Mir viel der Hörer fast aus der Hand, ich fing an zu zittern und ging sofort in die Mittagspause. Damit hatte ich so schnell nicht gerechnet. Zum Glück konnte ich mich in dieser Situation mit meinem Bruder treffen, der in der Nähe von meiner Arbeitsstelle arbeitete. Nachdem er mich beruhigt hatte, sagte er mir, ich solle zum Arzt gehen und alles für die Transplantation einleiten (Gentest, Untersuchungen etc.). Er oder mein anderer Bruder würden schon passen, sie seien ja beide gesund. Das war für mich der Auslöser, die ganze Sache jetzt von einer anderen Seite zu sehen. Es wurde mir schlagartig bewusst, dass ich jetzt nicht nur der leidende Patient, sondern auch der Organisator meiner eigenen Genesung sein musste. Ich war fest entschlossen jede klärende Frage zu stellen und auf eine Antwort zu bestehen. Alles im Sinne meiner Brüder und mir zu tun. Dabei konnte mir niemand helfen.

Als ich zur Sprechstunde beim Arzt war, er wusste von der Spendenbereitschaft meiner Brüder, bat ich ihn, mir schnellstmöglich einen Termin im Transplantationszentrum zu beschaffen. Einzelheiten kann man nur dort klären. Ich wusste nicht einmal, ob vor der Dialyse überhaupt transplantiert werden darf. Die Frage konnte mir niemand beantworten und es war für mich sehr wichtig, weil ich mir diese Qual ja ersparen wollte. Weiterhin klärte sich dann auf, dass mein Schwindelgefühl von dem langsam sinkenden HB-wert kam. Dies sollte sich noch stark verschlimmern. Andere Werte (Kalium...) interessierten mich nicht mehr allzu sehr, es ging mir nur noch um die Transplantation. Im August hatte ich dann den Termin im Transplantationszentrum Kaiserslautern.

In einem zweistündigen Gespräch mit der Chefärztin wurde ich bestens aufgeklärt und merkte trotz meiner anfänglichen Nervosität sofort, dass ich in den besten Händen war. Erklärt wurde, welche medizinische und juristische Prozeduren auf den Spender und mich zukommen werden und wie die Chancen auf Erfolg sein werden. Alles wurde mir in allen Einzelheiten erklärt. Ab diesem Tag war ich telefonisch und schriftlich in Kontakt mit dem Transplantationszentrum.

Die Vorbereitungen

Beide Brüder und ich schickten Blutproben an das Genlabor des Krankenhauses. Dort wurde typisiert und ein CROSSMATCH gemacht mit dem sensationellen Ergebnis, dass mein älterer Bruder Frank und ich, mit unseren HLA-Werten 100% übereinstimmen. Die Chancen dafür stehen bei 1 :1 000 000 bei nicht eineiigen Geschwistern. Somit war die Entscheidung auf ihn gefallen. Der Tag, an dem ich meine Brüder anrief, war wohl sehr spannend. Die Reaktion von Frank sehr gelassen und er sagte im ruhigen Ton: „OK, und was muss ich jetzt machen?“

Er hatte vorerst Pause. Jetzt war ich wieder am Zug. Um bei einer raschen Verschlechterung schnell handeln zu können, muss ich vorher zu fünf Ärzten, die mich auf meinen Gesundheitszustand testen. Hierzu bekam ich entsprechende Vordrucke vom Transplantationszentrum, die von den Ärzten abzuarbeiten waren. Zahn-, Hals-, Nasen-, Ohren-, Haut-, Augenarzt und Urologe. Im Oktober fing ich mit dem Hautarzt an. Mein Kreatinin war mittlerweile 4,6 aber konstant. Weiterhin ging es zum Augenarzt ,Urologen, HNO und zum Schluss zum Zahnarzt. Die Untersuchungen waren recht zügig und unkompliziert. Alle ohne Befund. Das einzig unangenehme war eine Blasenspiegelung auf die ich ganz und gar nicht vorbereitet war. Man sollte erwähnen, dass sich durch die Medikamenteneinnahme nach der OP das Sehverhalten und andere Körpereigenschaften verändern können. Mit der letzten zahnmedizinischen Untersuchung, Anfang Januar 2001, hatte ich meinen Part erfüllt. Mein Gesundheitszustand hatte sich trotz des Kreatininwert von 4,6 Anfang November 2000 deutlich verschlechtert. Noch Anfang Dezember trat ich in Kontakt mit dem Transplantationszentrum und schlug vor, mit weiteren Schritten zu warten, in der Hoffnung, der Wert könnte sich noch mal stabilisieren. Mitte Januar entschloss ich mich zur erneuten Kontrolle. Der Abstand war natürlich viel zu gross. Der Schock kam dann auch prompt. Kreatinin 6,2. Nun war es so weit. Jetzt mussten dringend die Medikamente ergänzt werden. Mein HB lag bei 8,7. Kein Wunder, dass es mir so häufig schwindlig wurde. Egal ob im Büro oder beim einkaufen, die Schwindelanfälle waren kaum zu ertragen. Ich musste ab sofort ERYPO4000  (Das Dopingmittel der Radfahrer bei der Tour de France) spritzen. Auch Calciumpräperate (Beginn der Osteoperose) wurden mir verordnet. Sofort setzte ich mich mit meinem Bruder in Verbindung und informierte ihn über den aktuellen Zustand. Er sagte, ich solle sofort alles ankurbeln. Das Transplantationszentrum gab ihm einen Termin zur viertägigen Untersuchung. In der darauffolgenden Woche, am 04.02.2001, ging es jetzt Schlag auf Schlag. Bei diesen umfangreichen, und wirklich unangenehmen Untersuchungen,  z.B. die Niere wurde mittels Katheter untersucht, kam heraus, dass mein Bruder kerngesund und bestens zur Transplantation geeignet war. Am 08.02.2001 hatten wir ein abschließendes Gespräch und verblieben, dass wir am 29.03.2001 operieren, vorausgesetzt, die Ethikkommission hat zugestimmt. Was sie nicht vergessen dürfen, ist die Klärung der Angelegenheit mit der Krankenkasse.

Hier handeln anscheinend nicht alle Kassen gleich. Ich ließ mir im Herbst 2000 bei meiner Krankenkasse einen Termin geben. Ich bin freiwilliges Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse und mein Bruder ist privatversichert. Die Kosten für OP und stationäre Nachbehandlung übernimmt die Kasse des Empfängers. Wie das nach einer möglichen sechsten Woche aussieht, sollten Komplikationen auftreten, muss im einzelnen geklärt werden. Welcher Gehaltsanteil übernommen wird, oder Kosten des Spenders, der sich außerdem nach der OP lebenslang überwachen lassen muss. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sind die Kosten wieder von jedem selbst zu tragen, respetive deren Krankenkasse. (Amerkung: Einmal im Jahr kann der Spender auf Kosten der Empfängerkrankenkasse einen Check vornehmen lassen. Mein Bruder musste sich sogar schriftlich dazu verpflichten und geht jedes Jahr einmal mit mir zur Kontrolle. Privat Versicherte sollten abklären, ob die Kasse keine Risikozuschläge verlangt. Lebendspenden sind sehr selten und man sollte sich unbedingt im Vorfeld einer Transplantation mit den Kassen abstimmen, welche Probleme daraus resultieren könnten. Für eine eventuelle Berufsunfähigkeit des Spenders gibt es gesetzliche Vorlagen die ihn absichern. Dass diese Absicherung nicht sehr hoch aus fällt versteht sich leider von selbst. Immerhin hat er einen Anspruch auf eine staatliche Rente. Mein Tipp: schließen sie eine Berufsunfähigkeitsrente rechtzeitig ab. In unserem Fall war es so, dass meine Krankenkasse dem Arbeitgeber meines Bruders eine Erklärung schickte, dass sie die dem Arbeitgeber entgangene Nettolohnverluste ersetzten werden. Mein Bruder hatte sozusagen unbezahlten Urlaub von seinem Arbeitgeber, der ihm trotzdem das Gehalt weiterzahlte und es sich bei meiner Krankenkasse holte. Diese Regelung ist einfach und unkompliziert. Wie gesagt : Im Einzelfall kann das immer anders aussehen.

Die Ethikkomission:

Ohne Zustimmung der Ethikkommission darf in Deutschland nicht transplantiert werden. Weder Lebend- noch Todspende. Sinn ist es, dem Organhandel vorzubeugen und sicher zu gehen, dass sowohl Spender als auch Empfänger sich vollkommen bewusst sind, was auf Sie körperlich und seelisch zukommt. Da solch ein Entschluss nicht von heute auf morgen kommt, sind beide Parteien meiner Meinung nach gut aufgeklärt, so dass die Bedeutung der Kommission eher Formsache ist. In unserem Fall war das so. Am 14.03.2001 sind wir nach Mainz zur Landesärztekammer, wo das Gespräch stattfand. Es dauerte ca. 20-25 Minuten und es waren ein Arzt, ein Jurist und ein Psychologe anwesend. Als erstes wurde ich über die Entstehung der Krankheit und den Entschluss, die  Lebendspende meines Bruders anzunehmen, befragt. Ich machte dabei deutlich, dass wir beide gut aufgeklärt sind (besonders über unseren gemeinsamen Bruder), und ich persönlich die Risiken für beide Seiten als kalkulierbar sehe. Auf die psychologische Seite angesprochen, sollte etwas schief gehen, antwortete ich, dass mir das wohl zu schaffen machen würde, vor allem falls meinem Bruder etwas passieren würde. Für mich persönlich konnte es danach ja nur besser werden.

Mein Bruder wurde über seinen Entschluss zur Spende befragt und antwortete, dass es für Ihn selbstverständlich ist zu helfen und er sich sicher sein kann, dass ich umgekehrt genauso gehandelt hätte. Das Risiko schätzte er ebenfalls als kalkulierbar ein, zumal unsere Voraussetzungen nach den ganzen Untersuchungen optimal waren. 

Dies ist natürlich nur ein kurzer Zusammenschnitt, aber im wesentlichen waren es die Hauptthemen. Damit war das Gespräch beendet und ich bekam gleich die Bestätigung, dass der Transplantation zugestimmt wird. Eine Kopie davon ging ans Krankenhaus.

Nun war alles erledigt und die letzten Tage vor dem Großereignis brachen an. Mein Bruder und ich wollten an diesem Abend noch mal groß feiern, aber irgendwie war mir nicht mehr so danach. Wir hatten noch ein schönes Abendessen und sahen uns erst am Tag vor der OP wieder.

Die Transplantation

Am Montag, den 26.03.2001  ging ich vormittags auf die Transplantationsstation . Nach einem Gespräch mit der Ärztin wurde mir freigestellt noch mal bis Mittwoch nach Hause zu gehen. Ich sollte mich aber nur dort und nicht in Kontakt mit kranken Menschen aufhalte. Ich bekam nämlich schon  Immunsupressiva, die vor der OP extrem hoch dosiert sein müssen. Damit bin ich jedem Infekt schutzlos ausgeliefert. Natürlich war mir das am liebsten und so schnappte ich meine Tasche und meine Tabletten und verschwand noch mal nach Hause..Diese Ausnahme konnte nur gemacht werden, weil ich direkt in der Nähe des Krankenhauses wohnte. Die letzte Nacht verbrachte ich bei meinen Eltern, weil mein Sohn plötzlich krank wurde. Am Mittwoch zog ich gemeinsam mit meinem Bruder morgens im Krankenhaus ein. Er wurde in der Urologie aufgenommen, weil er auch von den Urologen operiert wurde. Tagsüber hatten wir noch einige Untersuchungen , aber am Abend konnten wir noch gemeinsam ein Länderspiel anschauen, ehe wir uns trennten. Am 29.3.01 gegen 8 Uhr nahm ich meine Tabletten, und wartete darauf endlich geholt zu werden. Ich schaute TV und nahm gegen 9 Uhr eine Beruhigungstablette, die aber nicht wirkte. Allzu aufgeregt war ich auch nicht. Um 10 Uhr wurde ich in den OP gebracht, wo zwei nette Ärztinnen auf mich warteten. Mein Bruder war zu diesem Zeitpunkt schon unter dem Messer. Wir plauderten noch etwas und ich fing immer mehr an zu frieren. Ich bot Ihnen an mich in den Schlaf zu schicken, aber Sie meinten, es gäbe keine Luxusnarkose. Also musste ich 30 Minuten in dieser kleinen kalten Kammer warten, bis man mich betäubte. Komischerweise war ich ganz ruhig. Es ist von enormen Vorteil, sich vier Jahre darauf vorbereiten zu können. Als ich gegen 16:00 Uhr zu mir kam, war meine Frau da. An einige Dinge kann ich mich  bruchstückhaft erinnern. Hauptsächlich daran, dass es meinem Bruder gut gehe, obwohl er etwas Blut verloren hatte. Ich hatte abartigen Durst, durfte aber nichts trinken. Mein Mund war wie zugeklebt. Meine Frau schuf mit nassen Tüchern Abhilfe. Schmerzen spürte ich keine, kann aber nicht mehr sicher sagen, ob ich entsprechende Schmerzmittel dagegen bekam. Am nächsten Morgen wachte ich auf und hatte Hunger und Durst. Aber, es gab immer noch nichts. Ich hatte immer noch keine Schmerzen und schaute mir zum ersten mal meinen Körper an. Ich hatte eine Magensonde durch die Nase, die sehr unangenehm im Hals kratzte, mir aber schon um die Mittagszeit gezogen wurde. Ein zentraler Venenkatheder (ZVK) war an der Halsader angebracht und versorgte mich mit Medikamenten und Flüssigkeit. Diesen ZVK behielt ich bis Dienstags. Meine neue Niere schied in den ersten 24 Stunden 7,8 Liter Urin aus. Neben dem Bett hing die Drainage, die oben aus der Wunde kam und der Urinkatheder, der mir erst am Sonntagmorgen gezogen wurde (ist nicht ganz angenehm ,aber man kann es ertragen). Dann schaute ich mir meinen Bauch an. Die Narbe beginnt ca. 10 cm rechts neben dem Bauchnabel und verläuft wie ein  "J" bis zum Schamhaaransatz. Wenn ich die Hand darauf lege kann ich die Niere richtig fassen. Die Blutgefässe wurden an der Schlagader im rechten Bein angeschlossen, womit sich für mich ein etwas taubes Gefühl im rechten Oberschenkel ergab, dass aber immer weniger wird. Der operierende Arzt besuchte mich und sagte, dass die OP zwar kompliziert war aber dennoch sehr gut ausgeführt wurde. Er hatte 28 Minuten gebraucht, normalerweise dauert die OP 20 Minuten, um die Niere zu transplantieren. Ich merkte schon am ersten Tag eine gewisse Energie in mir und konnte nicht viel schlafen. Ich lag allein in der Überwachungsstation, schaute TV und dachte viel nach. An diesem ersten Tag durfte ich auch kurz aufstehen zum wiegen, waschen und um den Kreislauf zu stabilisieren. Das war dann doch sehr anstrengend, zumal die neue Niere bei dieser Aktion zwickte und ich zudem etwas wackelig auf den Beinen war. Am Samstag und Sonntag bekam ich morgens und abends etwas Zwieback und jeweils einen Becher Tee. Mein Durst war etwas weniger, aber der Hunger wurde schlimmer. Ich durfte unter Mithilfe schon dreimal aufstehen und auch einige Schritte gehen und etwas sitzen. Ununterbrochen lief Flüssigkeit in mich hinein. Da ich nachts nicht zur Ruhe kam, lies ich mir auch mal ein Schmerzmittel spritzen. Es hat zwar nichts weh getan aber geschlafen habe ich trotzdem nicht. Ein Pfleger kam schon gegen 4:30 Uhr!!!! und zog mir den Blasenkatheder. Mein erstes „freies“ Pipi hat etwas gebrannt(2 Tage lang). An diesem Tag hat man mich von der Flüssigkeitszufuhr abgekapselt und ich musste ab sofort 5 Liter am Tag trinken. Da ich mich frei bewegen konnte, lief ich zur Ertüchtigung meines Kreislaufes viel im Zimmer herum. Außerhalb hätte ich mich nur mit Mundschutz bewegen dürfen. Ich wusch mich selbstständig und zog meine Kleider an. Durch die Medikamente war ich sehr zittrig und nervös. Dies sollte noch länger so bleiben, wurde aber langsam besser.

Das Schlimmste war vorbei. Mein Arztbruder kam mich besuchen und schaute sich die Akte von mir an . Meine Werte haben sich alle gebessert und mein Kreatinin war schon auf 1,4 gesunken. Meinem anderen Bruder ging es leider nicht so gut. Er hatte enorme Schmerzen und konnte sich kaum bewegen. Wir telefonierten mehrfach miteinander und ich merkte schon am Telefon, dass er ziemlich k.o. war. Darüber war er vorher aufgeklärt worden, aber ich denke so was kann man nicht ahnen oder einschätzen. Ich war also also fitter als er. Am Montagmittag wurde mein Bruder und ich auf ein gemeinsames Zimmer in der Transplantationsstation verlegt. Zuvor durfte ich schon richtig frühstücken und hatte ein leichtes Mittagessen. Als ich ihn ziemlich krumm und schmerzverzerrt sah war ich sehr erschrocken. Aber schon bald kamen die ersten lustigen Sprüche und wir mussten so lachen, dass wir beide starke Schmerzen bekamen. Es begannen sechs erholsame und witzige Tage an denen es uns täglich besser ging. Nach einem Tag war ich schon in der Lage mit meinem Bruder ca. 20 min. täglich im Krankenhausgarten zu spazieren. Durch die Medikamente hatte ich immer Hunger und war kaum noch satt zu bekommen. Das liegt hauptsächlich am Kortison und sollte noch lange so bleiben. Am 09.04.2001, elf Tage nach OP, wurde mein Bruder entlassen. Da es mir eigentlich besser ging als ihm, hatten die Ärzte ein Einsehen und entließen mich auch einen Tag später.

Zu Hause:

Endlich zu Hause. Ich hatte immer noch Probleme mit dem Schlaf (max. 3-4 Stunden) und arbeitete somit hauptsächlich nachts an diesem Bericht. Ansonsten ging es mir sehr gut und nach ein paar Tagen Schonfrist ging ich täglich ca.30 min .wandern. Meine Essgewohnheiten blieben auf der Strecke, so dass ich anfing unkontrolliert zu essen. Hier sollte man sehr vorsichtig sein wenn man zum dick werden veranlagt ist. Mittlerweile habe ich alles etwas unter Kontrolle. Aus medizinischen Sicht muss ich wöchentlich zur Untersuchung in die Klinik. Leider hat sich bei mir eine Zyste gebildet, die am 18.05.2001 in einer neuerlichen OP entfernt werden musste. Entstanden ist diese „Lymphocele“ durch extrem viel Lymphflüssigkeit, die durch die neue Niere „ausgeschwitzt“ wird. Diese OP ist bei 5-10 % aller Transplantationen notwendig. Warum das ausgerechnet bei mir der Fall war, lässt sich nicht sagen. Man muss sich um die Niere eine unsichtbare Haut vorstellen, die diese Flüssigkeit ausscheidet. Normalerweise verdickt sich die Flüssigkeit und verklebt mit dem körpereigenen Gewebe innerhalb weniger Tage. Dieser Vorgang fand bis heute noch nicht statt, so dass ich zur Zeit noch mit Drainage im Bauch zu Hause bin (tägl. Lymphausscheidung ca. 300ml). Es gibt die Möglichkeit, ein Medikament zu spritzen, doch die Gefahr die Niere dabei zu schädigen ist zu groß, so dass ich lieber geduldig den natürlichen Prozess abwarte, der irgendwann kommen muss. Ansonsten wurden meine Tablettenmengen etwas verringert, wodurch auch meine Nervosität besser wurde. Auch geregelter Schlaf ist nach acht Wochen wieder möglich. Meine Haut ist leider von Akne befallen, aber mit einigen Hautreinigungsmittel kann man etwas entgegenwirken. Durch die Immuntabletten wachsen die Haare jetzt sehr stark (auch dort wo sie nicht sollen z. B. auf dem Handrücken) und das Zahnfleisch wuchert und blutet. Dagegen hilft nur vier mal 3 min am Tag intensiv mit einer weichen Bürste massieren, auch wenn es noch so blutet. Schon nach 3-4 Tagen ist Besserung bei mir eingetreten. Letztendlich konnte ein Medikamentenwechsel Zahnfleischbluten und  Hautprobleme beseitigen.

6 Jahre später:  Juni 2007: